alles, was noch in den sternen hängt – romeo und julia am dt

Donnerstagabend, 19 Uhr. Frühlingsabendsonne vor dem Deutschen Theater. Versprengte Don Carlos-Premierengäste eilen ins große Haus. In den Kammerspielen gibt es heute Abend Romeo und Julia. Inszeniert hat Christopher Rüping.

Rüping gehört – und das verdient – zu den gefragten Regisseuren der Kategorie „Um-die-Dreissig“, er war mit seinem Stuttgarter Fest beim Theatertreffen, hat in Hannover – einen großartigen » Hiob auf die Bühne gebracht, in Zürich und Hamburg inszeniert, erarbeitet gerade in Stuttgart mit Edgar Selge den Peer Gynt und wird in der übernächsten Saison Hausregisseur an Lilienthals Münchener Kammerspielen.

In Berlin betreten die wundervolle kleine, in ihren Möglichkeiten aber große Kammerspiel-Bühne nicht Romeo Montague und Julia Capulet. Sondern vielmehr eine Schauspielertruppe, die uns Romeo und Julias Geschichte vorspielt. Und was für eine!

Mir ist, als ob alles, was noch in den in den Sternen hängt, heut Nacht beginnt, mit dieser Tanzerei …

Ein bißchen einsehen muss man sich, denn die Inszenierung verweigert sich von Anfang konsequent dem Wir-tun-so-als-ob-Theater. Und zieht dabei alle Register und mit jedem Akt tiefer in die shakespearsche Story hinein.

Was fürs Hirn und was fürs Herz © Arno Declair
Was fürs Hirn und was fürs Herz © Arno Declair

Überdreht italienisch singend – schließlich sind wir in Verona – schiebt sich Mutter Capulet (Natalia Belitski) im papiertheaterhaften Kleid über die Szene; später macht sie als Tybalt Ärger und findet sich bald in einem der Särge wieder, die wie auf einem Todeskarusell auf der Bühne kreisen. Wiebke Mollenhauers zarte und doch willensstarke Julia trifft auf einen genauso ungestümen wie melancholischen, so kindlich wie erwachsenen Romeo (Der eindeutige Star des Abends: Benjamin Lillie). Und Lisa Hrdina (Der eindeutige Co-Star des Abends) rockt als eine herrlich durchgeknallte Mercutia formidabel die Bühne.

Die Pest auf eure beiden Häuser!

Kulissenschieberei und derber Humor wechseln mit innigen und wunderschönen taschenlampen- und Feuerzeug beleuchteten Szenen. Der geneigte Zuschauer darf sich – mit lustvollen Commedia dell’Arte-Anklängen, mit vollem Maskeneinsatz und viel sorgsam gesetzter Musik – so fühlen wie vermutlich bei Shakespeare und sich vorstellen, wie damals die Theaterbesucher laut wurden, wenn der Fortgang der Handlung nicht gefiel. (Ja, hier sind es nur die Abiturienten in den hinteren Reihen, die das Bühnengeschehen mehr oder minder passend, immer aber deutlich hörbar kommentieren ;)

An der Liebe verbrennen. Benjamin Liliie als Romeo. © Arno Declair
An der Liebe verbrennen. Benjamin Liliie als Romeo. © Arno Declair

Rüping setzt Shakespeares Liebesdrama raffiniert neu zusammen. Es wechseln wie in der Anfangs beschworenen, unheilbringenden Tanzerei in wilden Sprüngen Orte und Zeiten. Wir sehen nicht wenige Szenen – so das Fest im Hause Capulet – gleich mehrfach: mit den Augen der verschiedenen Akteure.

Wie eine Spirale schraubt sich das schicksalhafte Geschehen unabwendbar hinauf bis zum bitteren Finale. Der Abend selbst ist dabei absolut nicht aus der Zeit gefallen und fast seltsam heutig. Christopher Rüping und seinen Schauspielern gelingt eine fragile Mischung aus Shakespeare und 2015, aus derb und zart, aus Schenkelklopfen und heiligem Ernst. Ein feiner, ein feingesponnener Abend, ein echtes Geschenk.


» Romeo & Julia, Deutsches Theater Berlin
Wieder am 14., 22. und 31. Mai, am 6. Juni und am 4., 5. und 10. Juli 2015

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