die theaterwissenschaft leipzig kämpft!

Im Januar beschloss das Rektorat der Uni Leipzig die Schließung der renommierten Leipziger Theaterwissenschaft. Studenten und Professoren kämpfen seitdem gegen den Beschluss und bekommen Unterstützung von ehemaligen Absolventen, Theatermachern wie Armin Petras und Volker Lösch, Kulturschaffenden aus ganz Deutschland und Partnerinstituten aus der ganzen Welt. Knapp 15.000 Menschen unterzeichneten bislang die Onlinepetition - Unirektorin Schücking hält dagegen an den Schließungsplänen fest und sagt in der Zeit der Alma Mater Lipsienis eine schwarze Zukunft voraus.

Nicht nachlassen! Noch gut 600 Unterzeichner fehlen der » Onlinepetition bis zur 15.000 (Stand Sonntag, 23. Februar). Die Rektorin der Universität Leipzig, Beate Schücking, hat derweil Die Zeit in ihr Büro geladen und in dem » Gespräch nicht nur einen Teufel an die Wand gemalt. Für die Unileitung bleibt die Schließung trotz der Proteste besschlossene Sache, sollte die Dresdner Sparpolitik wie geplant umgesetzt werden, drohe sogar ganzen Fakultäten das Aus. Im selben Blatt schreibt Armin Petras, jetzt Schauspielintendant in Stuttgart, gegen die » Regierung Rotstift!

Mich machen diese Planspiele und Abwicklungsszenarien wütend, gerade aus meiner neuen Erfahrung in Stuttgart heraus, wo Wirtschaft und Kultur als Kapital einer Stadt, einer Landschaft, einer Region wahrgenommen und zusammen gedacht werden. Denn solchen Spar-Überlegungen mangelt es nicht nur an Rücksicht, sondern vor allem an Weitsicht.

Studenten, Lehrkräfte und Fachschaftsrat planen derweil weitere Aktionen. Immer montags 15 Uhr öffnet im Insitut (Ritterstraße 16) das öffentliche Protestbüro, jeden Donnerstag zwischen 12 und 13 Uhr sollen Stühle in der Stadt auf den Widerstand gegen die Schließungspläne aufmerksam machen. Eine weitere Critical Mass gegen Kürzungen ist für den 28. Februar geplant und Anfang April soll es eine erste Aktionswoche geben.

Die Theaterwissenschaft als Orchideenfach zu bezeichnen, halte ich für grob fahrlässig. Theaterwissenschaft ist eine Grundlagenwissenschaft, weil sie über die Herstellung und Reflektion von Gesellschaft nachdenkt. Prof. Gerald Siegmund Präsident der Gesellschaft für Theaterwissenschaft

Unter die Unterstützer mischt sich auch einige Prominenz: So unterzeichneten unter anderen Anna Loos, Volker Lösch und Charlotte Roche. Die Grußbotschaften und Solidaritätbekundungen aus aller Welt kann man im » Youtube-Kanal der Theaterwissenschaft sehen – mit dabei sind unter anderem Volker Lösch und Armin Petras.

Während die Studenten in auf Fahrrädern und Stühlen in der Stadt den Prostest am Laufen halten, haben Vertreter des Stadtrates – auf Antrag der Grünen und ohne die Stimmen der CDU-Fraktion – in einer » Resolution für die Wissenschaft in Leipzig den Freistaat die Rücknahme der jüngsten Kürzungspläne für die Universität aufgefordert.

Laut Berichten der » Leipziger Volkszeitung begründete die Unions-Fraktionsvorsitzende Ursula Grimm diese christliche Enthaltsamkeit mit der Hochschulautonomie und warf der Uni Leipzig gleichzeitig vor, mit der Schließung ganzer Institute allein auf Außenwirkung durch die Erzeugung öffentlichen Drucks zu zielen.

Unterstützung kommt dagegen vom Deutschen Bühnenverein. Dessen Präsident Klaus Zehelein hält die geplanten Sparmaßnahmen für einen großen Fehler:

Der Moment, in dem alles nur noch unter ökonomischen Kriterien gesehen wird, ist eigentlich der Tod der Geisteswissenschaften. Darüber müsste es eine öffentliche Debatte geben. Interview mit der dpa, nachzulesen bei » MDR Sachsen

Letzten Mittwoch auf dem Augustusplatz: Radfahren gegen Kürzungen. © Mehmet Dogan
Letzten Mittwoch auf dem Augustusplatz: Radfahren gegen Kürzungen. © Mehmet Dogan

Was bisher geschah:

Die Theaterwissenschaft in Leipzig darf nicht geschlossen werden! Schon knapp 13.000 Unterzeichner der Onlinepetition sind dieser Ansicht, in den Kommentaren finden sich 1001 gute Gründe pro TW, unter anderem dieser hier:

… weil man nicht nur etwas braucht, wovon, sondern auch etwas wofür man lebt!

Seitdem das Rektorat der Uni Leipzig am 21. Januar bekanntgab, die von Dresden geforderten Stellenstreichungen unter anderem und bequemerweise – indem man auslaufende Stellen einfach nicht neu besetzt –  an der Theaterwissenschaft vorzunehmen, tobt in Leipzig ein Kulturkampf. Genauso betroffen sind die Physikalische Chemie, die klassische Archäologie und die Pharmazie. Jenseits aller Rufe nach Profilbildung stellt sich klar die Frage, ob das Bekenntnis zur Voll-Uni noch gilt.

Wir treten allen Propheten in den Allerwertesten und lernen lieber von den Eseln das störrisch sein gegen eine Behauptung von Notwendigkeit, die aus Dresden kommt. Richard Wagner, TW-Student aus Leipzig, » ganzer Beitrag

Institute und Studentenschaft, die nicht kampflos aufgeben wollen, erhalten überwältigende Unterstützung von Kultureinrichtungen, Theatermachern, ehemaligen Absolventen, Schauspielern … In Stadt, Land und sogar über die Grenzen Deutschlands hinaus reagiert man mit Unglauben und Empörung.

Theaterwissenschaft in Leipzig.

Ausgerechnet einem hervorragend aufgestellten Institut (» Pressemitteilung der TW vom 22. Januar), das überregional renomiert, in seinem Profil einzigartig und das letzte seiner Art im Osten Deutschlands ist, werden fünf Stellen gestrichen. Das kommt der Schließung der Theaterwissenschaft in Leipzig gleich, die in diesem Herbst ihr 20jähriges Bestehen feiert.

Im Institut selbst formiert sich der Widerstand unter Mitarbeitern und Lehrpersonal (» zu den Stellungnahmen), der Fachschaftsrat rief zur Vollversammlung und veröffentlichte zehn Thesen für die Theaterwissenschaft in Leipzig. Alumni der Leipziger TW schreiben in ihrem » Offenen Brief:

Ein „vielfältiger Kultur- und Wissensraum“ braucht eine Volluniversität mit funktionierender Geisteswissenschaft: Verschonen Sie die Theaterwissenschaft – für Gesellschaft und Kultur im Land!

Beim HGB-Geburtstag wurden die Landespolitiker von protestierenden Studierenden begrüßt und Studenten besetzten im wahren Wortsinn am Donnerstag auf Stühlen die Leipziger Innenstadt.

Stille Stühle in der Peterstraße. Foto: Swen Reichold.
Stühle in der Peterstraße. Foto: Swen Reichold.

Während Hochschulleitung und Landespolitik darin glänzen, sich gegenseitig den Schwarzen Peter zuzuschieben, fanden die Proteste ihren ersten Höhepunkt in der mehr als dreistündigen Solidaritätsveranstaltung im Schauspiel Leipzig am 7. Februar. Intendant Enrico Lübbe – selbst Absolvent der Leipziger Theaterwissenschaft –   hat die große Bühne zur Verfügung gestellt und die schiere Zahl der zum Protestprogramm Kommenden sprengte den Saal. Längst nicht alle fanden Einlass, viele verfolgten das Bühnengeschehen im Kassenfoyer via Bildschirm: Reden, Grußworte und Protestnoten (hier auf » YouTube nachschauen) wechselten sich mit Bühnenacts wie Thomas Hertels Mund & Knie, dem Figurentheater Wilde & Vogel und Die tapfere Hanna Gardi Hutter, es gab Ausschnitte aus dem Ballett Pax 2013, aus Der Reigen oder Vivre Sa Vie und – noch vor der Premiere im März – eine Szene aus Heike Hennigs TdjW-Produktion Crystal zu sehen.

Gardi Hutter bei der Soli-Veranstaltung im Schauspiel Leipzig. Foto: Rolf Arnold.
Gardi Hutter bei der Soli-Veranstaltung im Schauspiel Leipzig. Foto: Rolf Arnold.

Man stelle sich nur mdr figaro ohne Theaterwissenschaftler vor! Undenkbar!

Aus dem Reigen der Leipziger Theaterszene sprachen unter anderem Jürgen Zielinski (Theater der Jungen Welt), Dirk Förster (LOFFT), Enrico Lübbe (Schauspiel Leipzig) und Ann-Elisabeth Wolf (Euroszene). Zum Abschluss enterten Michael Vogel (Familie Flöz) und Studierende des Szenischen Projekts Theater mit Masken die Bühne – das vornehmlich studentische Publikum belohnte sie und die gesamte, tolle Veranstaltung mit Standing Ovations.

Das Maskenseminar der Theaterwissenschaft auf der Großen Bühne. Foto: Rolf Arnold.
Das Maskenseminar der Theaterwissenschaft auf der Großen Bühne. Foto: Rolf Arnold.

Und die wichtigsten Links:

» Die Online Petition
» Die Theaterwissenschaft der Uni Leipzig
» Der Fachschaftsrat
» Der Fachschaftsrat bei Facebook

Bleibt dran, kommt zu den Aktionen, spread the word! Wir sind dabei.

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