der ewige kampf – hartmanns woyzeck am dt

Sebastian Hartmann hat am Deutschen Theater Büchners Woyzeck inszeniert. Die Rollen teilen sich Katrin Wichmann und Benjamin Lillie, für die Musik sorgt Ch. Mäcki Hamann. Neben dem Woyzeck-Text kommen auch „Der Hessische Landbote“ und „Lenz“ vor, außerdem noch Texte von Heiner Müller (Hydra und Bildbeschreibung). Inspiriert von Müllers Bildbeschreibung hier nun eine Stückbeschreibung:

Woyzeck. Regie Sebastian Hartmann. Deutsches Theater Berlin © Arno Declair
Woyzeck. Regie Sebastian Hartmann. Deutsches Theater Berlin © Arno Declair

Eine Bühne zwischen Rampe und Innerem einer Kiste: schwarz ausgepinselt, der Boden nach hinten zu ansteigend, so schräg, dass das Stehen und Laufen manchmal schwierig wird. Eine Öffnung ins Freie im Zentrum hinten. Dahinter Düsternis, wallende Nebel. Zunächst nur Schattenspiel, schemenhafte, kaum erkennbare Bewegungen. Dann zwei Menschen, Mann und Frau. Wortlos miteinander kämpfend, scheinbar aufeinander einstechend. Dann die ersten Worte. Sie stammen aus der Mordszene von „Woyzeck“: Marie und Woyzeck. So ist gleich zu Beginn klar, wie alles enden wird und daß keine Geschichte erzählt werden soll, deren Ausgang offen ist. Der Text aller Rollen ist auf die beiden Schauspieler aufgeteilt, sie sind nicht nur Woyzeck und Marie, sondern auch Doktor, Hauptmann, Tambourmajor. Szenen reihen sich aneinander, kaum der Chronologie des Geschehens im Stück folgend.

Woyzeck. Regie Sebastian Hartmann. Deutsches Theater Berlin © Arno Declair
Katrin Wichmann, Benjamin Lillie © Arno Declair

Zentral immer: der Kampf zwischen Mann und Frau. Fast ständig sind sie miteinander beschäftigt, mal zärtlich, dann wieder kämpfend bis Blut fließt. Einmal steht der Mann plötzlich nackt und blutüberströmt auf der Bühne, für einen kurzen Moment an Jesus am Kreuz erinnernd und auch die Worte „Wahrlich ich sage euch…“ sprechend, dann ist er plötzlich wieder Woyzeck, der dem Doktor eine Urinprobe abliefern soll, aber nicht kann. Innehalten im bewegten Spiel, als die Frau Heiner Müllers Hydra-Text gibt – unbeweglich ins Publikum schauend. Irgendwann bricht der Kasten, in dem Mann und Frau gefangen scheinen, auf – die Drehbühne bewegt sich und ermöglicht den Blick auf eine weite Landschaft, dominiert vor herbstlich grauen, aber riesenhaften Pflanzen. Erstmals kommt der Musiker ins Bild, der bisher mit seinen Klängen ganz wesentlich zur Schaffung der Atmosphäre beigetragen hat. Nebel wallt, unnötigerweise verdeutlicht durch die Leuchtschrift NEBEL hoch oben über der Szene.  Woyzeck und Marie nun im See, das finale Bad nehmend. Danach noch einmal der Mann auf der Bühne. Allein und nun Heiner Müllers „Bildbeschreibung“ sprechend.

Die Inszenierung soll, so liest man, keinen genau festgelegten Ablauf haben, so daß jede Vorstellung ein wenig anders ablaufen wird. Man kennt das von Hartmanns Leipziger Arbeiten – z.B. „Eines langen Tages Reise in die Nacht“, „Kirschgarten“ oder „Fanny und Alexander“. In jedem Fall wird es für Katrin Wichmann und Benjamin Lillie jeweils ein anstrengender Abend werden, mit vollem körperlichen Einsatz. Großes Lob für die schauspielerische Leistung bei der Premiere, großes Lob aber auch für Sebastian Hartmann und sein Team (Kostüme: Adriana Braga Peretzki, Video und Licht: Voxi Bärenklau) für eine atmosphärisch dichte, konzeptionell stimmige und sinnlich beeindruckende Inszenierung. Lang anhaltender Beifall.

1 Comment

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  1. 1
    hartmann

    Hinter dem Schild NEBEL verbirgt sich eine Botschaft! In der Bildbeschreibung heißt es „im Spiegel wohnen“ – und wenn der Zuschauer im Spiegel wohnend NEBEL wahrnimmt, dann kann er so er kann LEBEN lesen. Mehr war nicht gemeint, ich steh ja nicht so auf deutschen Film mit deutschen Untertexten…. liebe Grüße sebastian

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